Island-Passion : Roman

Habringer, Rudolf, 2008
Bibliothek HTL HALLEIN
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Medienart Buch
ISBN 978-3-85452-626-1
Verfasser Habringer, Rudolf Wikipedia
Systematik DR.AO - Prosaanthologien: Österreich
Verlag Picus-Verl.
Ort Wien
Jahr 2008
Umfang 353 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Rudolf Habringer
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Barbara Tumfart;
Schmerzhafte Spurensuche in Österreichs Musikgeschichte - ein vielschichtiger Entwicklungsroman. (DR)

Der junge Musik- und Germanistikstudent Richard Behrend verließ Anfang der 1970er Jahre Familie, Freunde und Heimat, um sich im weit entfernten und völlig andersartigen Island ein neues Leben aufzubauen. Nach mehr als dreißig Jahren des selbst gewählten Exils wird der inzwischen gut etablierte und mit seinem isländischen Leben zufriedene Österreicher gezwungen, sich der Vergangenheit und den Ereignissen, die zu seiner Emigration führten, zu stellen. Als junger Student der Musikwissenschaften entdeckte Richard durch Zufall während eines Aufenthaltes als Berichterstatter für eine österreichische Zeitung zur Zeit der Schach-WM in Island die tragische Lebensgeschichte des österreichischen Komponisten und Dirigenten Karl Wallek. Wallek (seine Geschichte ist jener des vertriebenen Musikers Victor Urbancic nachgebildet) musste 1938, denunziert von den Kollegen am Grazer Konservatorium, aufgrund seiner Ehe mit einer jüdischen Frau nach der Machtübernahme durch die Nazis aus Österreich flüchten und fand in Island eine neue, zweite Heimat.
In einer gekonnten Mischung aus zeitlich unterschiedlich gelagerten Handlungen gewährt Rudolf Habringer einen bewegenden Einblick in die immer interessanter werdenden Recherchen Richards, die denselben letztendlich zu einem bedeutungsvollen Bruch mit der Familie, dem Freundeskreis und seinem Mentor an der Universität veranlassen. Beginnt die Geschichte am Anfang ein wenig zögerlich und erscheint sie orientierungslos, so gewinnt sie rasch an Spannung und Geschwindigkeit, bis schließlich an einem fulminanten, überraschenden Ende alle Handlungsstränge miteinander verknüpft werden.
Ein spannender und empfehlenswerter Entwicklungsroman über einen jungen Mann und seine Versuche, mit den Geheimnissen und den Tabus seiner Elterngeneration zu brechen und einen der vielen "dunklen Flecken" in der österreichischen Musikgeschichte aufzudecken.

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Quelle: Bücherschau (Büchereiservice des ÖGB) (http://www.buecherei.at/);
Autor: Manuela Kaltenegger;
Richard Behrend und Zollner kennen einander aus ihrer Internatszeit. Behrend, ein wirkliches Schachtalent wird von Zollner bei einem Schulschachturnier geschlagen, obwohl er den Sieg eigentlich schon in der Tasche hatte. Sein eigenes voreiliges Hochgefühl hat ihn zum zweiten gemacht und so blieb das ein Leben lang.
Gemeinsam studieren die beiden besten Freunde und Rivalen an der Uni Wien Musik. Der Autor des Romanes vermittelt ein einfühlsames und deutliches Bild von der Situation an der Uni Wien in den 70er Jahren. Bei einem Referat lernt Richard seine Freundin Alina kennen, die zur Liebe seines Lebens wird. Diese ist aus gutem Haus und bringt Richard im Verlag ihres Vaters unter. Für ebendiesen Verlag fliegt Behrend nach Island um über ein legendäres Schachturnier zu berichten. Zollner gibt sich uninteressiert, doch in Wirklichkeit ist er Richard die Freundin und die Chance neidig.
Bei seinem Islandaufenthalt verliebt sich Richard in eine Isländerin. Noch vor seiner Abreise sieht Richard Zollner mit Alina in einem Cafe und wird misstrauisch. Durch einen Zufall stößt Richard in Island auf die Spuren des emigrierten Österreichers Wallek. Dieser musste vor den Nazis fliehen und landete auf Island. Behrend greift diese Fährte auf und baut daraus ein Thema für seine Dissertation, doch davon will sein Professor nichts wissen. Als auch noch Alina sich für seinen ewigen Rivalen Zollner entscheidet und anschließend bei einem Autounfall, den Richard verursacht hat, stirbt, fällt dieser in ein unendliches Loch. Richard verfolgt verzweifelt seine Recherchen über Wallek weiter und die handelnden Personen in seinem Leben verstricken sich zu einer Nazi-Allianz gegen ihn. Richard verlässt das Land und sucht sein Glück bei seiner schwangeren Geliebten in Island. Erst Jahrzehnte später begegnen die Rivalen einander wieder. Ein packender Entwicklungsroman von leidenschaftlichen Gefühlen und den Auswirkungen der Vergangenheit und wie diese Einfluss auf die Zukunft, also unser aller Leben haben.

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Quelle: Literatur und Kritik;
Autor: Judith Brandner;
Zwischen Graz und Reykjavik
Rudolf Habringers weitgespannte "Island-Passion"
I sland-Passion - der Titel ist gut gewählt, trifft doch der Doppelsinn des Wortes den Kern des Romans. Island ist für die Protagonisten des Romans Leidensgeschichte und Leidenschaft gleichermaßen: Island als Fluchtort für den von den Nazis vertriebenen Musiker, der in seinem unfreiwilligen Exil später die Matthäuspassion bearbeiten und eine wesentliche Rolle in der regionalen Musikgeschichte spielen wird; Island als Fluchtort für den jungen Journalisten und Musikwissenschaftsstudenten, der Jahrzehnte später zufällig auf die Lebensgeschichte des Emigranten stößt und die Mosaiksteine zusammenfügt. Das geschieht zu einer Zeit, als Österreich noch in dumpfem Verdrängen und Verschweigen verharrt. Bis zur Affäre Waldheim sind es noch gut 15 Jahre, bis zum Eingeständnis der österreichischen Mitverantwortung durch den damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky 1991 noch fast 20 Jahre. Wir befinden uns in den 70er Jahren und der Mief hängt noch schwer unter den Talaren. Österreich betrachtet sich nach wie vor als das erste Opferland Hitlers.
Rudolf Habringer schildert eindrucksvoll die politisch-gesellschaftliche Stimmung in den 70er Jahren. Eine Zeit, in der es noch nicht möglich ist, am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien als Dissertation eine zeitgeschichtliche Arbeit über einen Musiker zu schreiben, der zur Emigration gezwungen worden ist. Eine Zeit, in der eine große Zeitung, die im Roman zwar namenlos bleibt, unschwer aber als führendes Boulevardblatt zu erkennen ist, den Artikel über den Exilmusiker unter fadenscheinigen Argumenten nicht veröffentlicht. Es gibt zu viele Verflechtungen, zu viele Leichen im Keller, die man nicht exhumieren will. "Auf seltsame Weise sind wir miteinander vernetzt, verbunden durch feine Fäden, verbunden durch Geschichten, Sätze, Menschen, Erfahrungen" - das ist eine der Schlüsselpassagen des Romans, und das Geflecht dieser Verbindungen, das Habringer nach und nach aufdröselt, das ist der Stoff, aus dem sein Roman geschrieben ist. Es ist ein breit angelegter, episodenreicher Roman, über Generationen hinweg und durch die Zeiten springend, mit zahlreichen Wegen, die einander kreuzen. "Einmal gehen unsere Spuren auseinander, einmal verlieren wir uns, einmal treffen wir wieder zusammen. Wir wissen nicht wo, wir wissen nicht wann", schreibt Habringer, und führt die Fäden zusammen, gerade als man sich als LeserIn fragt, was die einzelnen Erzählstränge miteinander zu tun haben könnten, und er lässt die unglaublichen Verbindungen plausibel und nachvollziehbar erscheinen.
Die wichtigste Beziehung ist zweifelsohne die zwischen Gerhard Zollner und Richard Behrend, die mit einem Schachspiel der damals 13jährigen Buben beginnt. Da bekommt Richard bereits seine Rolle zugeordnet: er verliert das Spiel. Trotzdem werden die beiden Freunde, sehr enge Freunde, bis der eine den anderen schachmatt setzt - oder endet das Spiel in einer Pattstellung? Immer wieder wird im Roman - symbolträchtig - Schach gespielt. Das legendäre Finale der Schach-WM zwischen dem Amerikaner Bobby Fischer und dem Russen Boris Spasski - am Höhepunkt des Kalten Krieges - bildet die Rahmenhandlung für den Islandaufenthalt von Richard, der sich g 1343 erade als Jungjournalist erprobt. Bobby Fischer, der im Laufe seines abenteuerlichen Lebens isländischer Staatsbürger wurde, starb übrigens im Jänner 2008 in Reykjavik. (Stefan Zweigs "Schachnovelle" kommt einem in den Sinn).
Richards Islandreise ist der Anfang vom Ende der Freundschaft zu Gerhard. Denn dort stößt er auf die Geschichte des ins Exil getriebenen österreichischen Musikers Karl Wallek, über den er seine Dissertation schreiben möchte. Doch die Verantwortlichen, selbst in die Legitimierung des NS-Regimes verstrickt, wissen das zu verhindern. Und die Verflechtungen reichen bis in die engere Familie von Richards bestem Freund. Richard Behrend ist es, der letztlich scheitert, während Gerhard Zollner an der Universität Karriere macht. Oder ist das, was Richard widerfährt, gar kein Scheitern? Gehörte er nicht zu einer Avantgarde, die vergeblich gegen den Strom anzuschwimmen versucht? Die Zeit sei noch nicht reif für dieses Thema gewesen, wird er Jahre später dem Studenten aus Wien erklären, der, in einer neuen Zeit angekommen, vollenden wird, was Behrend nicht vollenden durfte. Der Student erzählt, dass die Zeit davonlaufe, weil es bald keine Zeitzeugen mehr gebe, die er befragen könnte, und dass er sich manchmal anhören müsse: Nicht schon wieder ein Nazithema, ich kann es nicht mehr hören, sehen, lesen. Und Habringer legt Protagonist Richard die Frage in den Mund: "Wann wäre dann der richtige Zeitpunkt, die wichtigen Fragen zu stellen?" An der Wahrheit, die er herausgefunden hat, zerbrachen jedenfalls in den 70er Jahren seine Zukunftspläne und die Freundschaft zu Gerhard Zollner. Richard Behrend zieht die Konsequenzen, verlässt Österreich und macht nun seinerseits Island zum Exil.
Freilich, da sind auch gewichtige private Gründe, weshalb es Richard Behrend nicht mehr in Österreich hält: Er hat seine Freundin Alina - geradezu klischeehaft - an den besten Freund verloren. Und enthüllt daraufhin Gerhards Mutter das brisante Ergebnis seiner Recherchen, was neben der moralischen Legitimierung - die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. So fühlte sich der Gerechte - durchaus Rachezüge trägt: Gerhards Großvater, Ernst Kossack, war ein Illegaler und wurde nach der Machtübernahme der Nazis rasch zum kommissarischen Leiter des Konservatoriums in Graz. Im Frühjahr 1938 befand er Wallek wegen dessen jüdischer Ehefrau für nicht mehr haltbar und entließ ihn aus dem Lehrdienst am Konservatorium. Kossack verhielt sich wie viele treue Parteigenossen: "Mit einem Federstrich hatte Kossack eine Existenz vernichtet, ins Abseits geschoben wie eine Schachfigur. Er hatte niemanden ins Konzentrationslager geschickt, aber er hatte Schicksal gespielt."
Zuguterletzt und Jahrzehnte später führt Habringer die Fäden abermals zusammen: alt geworden treffen einander die Freunde von damals, als Universitätsprofessor Gerhard Zollner Island mit einer Delegation einen offiziellen Besuch abstattet. Ein kleiner, später Akt der Wiedergutmachung an Karl Wallek. Gerhard und Richard haben einander nicht allzu viel zu sagen. Ihre Leben sind meilenweit voneinander entfernt.
Richard jedenfalls, so scheint es, hat Frieden geschlossen. Und wenn der vermeintlich Gescheiterte mit seiner kleinen Tochter Anna im Kinderwagen im stürmischen Island spazieren geht und dem Flugzeug nach Österreich nachsieht, das die Delegation zurückbringt, dann wirkt er durchaus zufrieden mit seinem Leben.
Bemerkung Katalogisat importiert von: Rezensionen online open (inkl. SB Salzburg)
Exemplare
Ex.nr. Standort
6423 DR.AO, Hab

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