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Eine Bestandsaufnahme europäischer Minderheiten, deren Existenzen gefährdet sind. (GE) Er ist sicherlich der Spezialist, wenn es um Randgruppen Europas geht. Und zugleich ihr Anwalt: Karl-Markus Gauß, Herausgeber der renommierten Zeitschrift "Literatur und Kritik", Kritiker und mit zahlreichen Preisen ausgezeichneter Autor exzellenter Essays. Mit diesen Berichten begibt sich der Leser mit dem Autor auf Reisen in Gebiete und zu Völkern, deren Namen wohl den meisten hier zum ersten Mal zu Gehör kommen. Und doch leben sie inmitten Europas und spiegelt sich die Geschichte des Kontinents auch in ihren Geschicken. Über Sarajevo und die ethnische Vielfalt, die bis zur Zerstörung der Stadt vor 10 Jahren herrschte, hat der bosnische Autor Dzevad Karahasan eindrücklich berichtet ("Tagebuch einer Aussiedlung"). Im ersten Beitrag geht Gauß dem Schicksal der sephardischen Juden in Sarajevo nach. Die deutsche Minderheit im heutigen Slowenien, die Gottscheberer, und ihre tragische Geschichte verdunkelt sich im dichten Gottscheer Wald. Dass es im Süden Italiens eine albanische Minderheit, die Arbereshe, gibt, ist nicht einmal den Italienern bewusst. Die Sorben in der ehemaligen DDR, deren Dörfer über Kohleminen gelegen sind, sind auch heute durch ihre Folklore noch Aufputz bei Festen und beliebte Touristenattraktion. Und die Aromunen in Mazedonien? Aus der Kriegsberichterstattung sind uns Orte wie Krusevo heute ein Begriff. Allen diesen Ethnien ist gemeinsam, dass sie durch Zusammenhalt und Pflege der Sprache und der Traditionen so manche Anfeindungen überlebten. Bewegt ist ihre Geschichte, so unterschiedlich sie sich auch gestaltet. Gemeinsam auch ist die deprimierende Aussicht, dass diese alten Kulturen dem Untergang entgegen gehen. Nicht mehr, weil sie unterdrückt werden, sondern weil die Jungen fehlen, ausgewandert, die Zukunft woanders suchend. Karl-Markus Gauß zeichnet sehr einfühlsame Porträts von europäischen Minderheiten, die die Kultur ihrer Länder und Regionen maßgeblich bestimmt haben, und bringt ausgehend von der Gegenwart und der Begegnung mit vielen Menschen die gesamte Geschichte mit ein. Die Reiseerfahrungen vermittelt er mit persönlicher Betroffenheit, Menschen schildert er liebevoll und treffend und die Landschaft skizziert er eindrücklich wie ein Gemälde. Die literarische Qualität dieser Texte ist unbestritten. Schade nur, dass auch sie nur kartografieren, nicht aber den Untergang dieser Kulturen aufhalten können. - Sehr empfehlenswert. *bn* Martina Lainer |
